Masern

Die rasant mehr werdenden Masernfälle und die immer größer werdende Zahl der Impfverweigerer machen mir großen Sorgen.

Im ersten Halbjahr 2019 hat es weltweit gesehen die höchste Zahl an Masernfällen seit 2006 gegeben. “Millionen sind weltweit in Gefahr”, warnt die Weltgesundheitsbehörde (WHO).
In Österreich sind heuer bis 1. August bereits 136 Masernfälle registriert worden, während es im ganzen Jahr 2018 in Österreich nur 77 Erkrankungen waren.

Ich habe daher die Ergebnisse der neuesten Studien, die gut erklären was das Masernvirus im Körper verursacht, für euch zusammengefasst.

Masern legen Immunabwehr lahm

Wie zwei Forscherteams herausgefunden haben, versetzen Masernviren das ungeimpfte Immunsystem gewissermaßen zurück ins Babystadium: Altes Wissen wird aus den Zellen gelöscht und die Immunreaktion gestört. Das mache anfällig für Folgekrankheiten.

Bei einer Virusinfektion lernt das Immunsystem dazu und weiß die Angreifer in Zukunft abzuwehren. Das ist der Regelfall. Anders ist es bei Masern. Wie gleich zwei Forschungsteams unabhängig voneinander und mit jeweils unterschiedlichen Herangehensweisen entdeckt haben, lähmt das Masernvirus die Immunabwehr nachhaltig. „Man hat schon früher beobachtet, dass Menschen nach einer Masernerkrankung anfälliger für andere Infektionen sind. Bis jetzt wussten wir aber nicht, warum das so ist“, erklärte die Studienleiterin der ersten Studie, Velislava Petrova, gegenüber science.ORF.at. Um das Rätsel zu lösen, untersuchten und verglichen die Immunologin von der Cambridge-Universität sowie dem Wellcome Sanger Institut und Kollegen die Immunzellen von 26 ungeimpften Kindern und Jugendlichen vor und nach deren Maserninfektion.

Wissen löschen, Lernen blockieren

Zum einen zeigte sich, dass die aggressiven Masernviren jene Immunzellen befallen, die das gesamte Wissen über frühere Krankheitserreger im Körper gespeichert hatten. Das ruft die körpereigene Immunpolizei auf den Plan. „Das Immunsystem erkennt die infizierten Zellen als Gefahr und vernichtet sie. So wird das bisher gesammelte Wissen aus dem Immungedächtnis gelöscht“, erläuterte Petrova das Studienergebnis aus dem „Fachjournal Science Immunology“.

Info

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gingen die Masernfälle zwischen 2000 und 2016 um 84 Prozent zurück. In den letzten Jahren häufen sich die Erkrankungsfälle allerdings wieder: Allein in den ersten drei Monaten 2019 sind um 300 Prozent mehr Kinder an Masern erkrankt als im Vergleichszeitraum im Jahr davor. 2017 starben 110.000 Menschen weltweit an Masern.

Das Virus greift aber auch naive B-Zellen an – also jene Zellen, die noch mit keinem Virus in Kontakt gekommen sind. Deren Aufgabe ist es, bei einem Angriff durch unbekannte Parasiten und Viren Antikörper zu bilden, damit sich der Körper wehren kann. Damit sind sie die erste wichtige Verteidigungslinie in unserem Immunsystem im Kampf gegen neue Infektionen. „Die naiven B-Zellen werden im Knochenmark produziert. Wir wissen bereits aus früheren Tierstudien mit Makaken, dass die Masernviren in das Knochenmark dringen können, dort Zellen befallen und diese schließlich töten.“ Das Virus hindert das Knochenmark darüber hinaus zum Teil daran, neue B-Zellen zu produzieren.

In der zweiten Studie aus dem Fachjournal „Science“ untersuchten Forscher die Antikörper in ungeimpften Kindern, vor und nachdem diese die Masern hatten. Wie das Forscherteam von der Harvard-Universität mit Hilfe eines Virusscans feststellte, waren auch zwei Monate nach der Masernerkrankung noch elf bis 73 Prozent der zuvor vorhandenen Antikörper verschwunden. Bei geimpften Kindern gab es diesen Antikörperschwund nicht.

Langzeitfolgen: Leichter krank

Wie frühere Untersuchungen zeigten, legen Masernviren die körpereigene Abwehr in manchen Fällen sogar jahrelang lahm, erklärte Petrova. In dieser Phase ist das Risiko besonders hoch, krank zu werden. Wissenschaftlern zufolge sind Masern auf diese Weise für die Hälfte aller tödlichen Infektionen bei Kindern weltweit verantwortlich.

Beide Forscherteams betonen daher, wie wichtig die Masernimpfung ist. Anders als das Masernvirus wird das Immunsystem durch die Impfung mit einem harmlosen Virus konfrontiert, der sehr spezifische Masernmerkmale enthält. Auf diese Weise wird das körpereigene Abwehrsystem auf das Virus vorbereitet und kann im Falle einer Infektion darauf reagieren. „Das Virus wiederum konfrontiert das Immunsystem nicht nur, es infiziert und zerstört es. Will man also seine körpereigene Abwehr aufbauen, sollte man das durch das Impfen tun und nicht mit Hilfe des Virus.“

(Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft)